Unterschiede zwischen der Slowakei und Deutschland
Jedes Mal, wenn mir ein Unterschied zwischen der Slowakei und Deutschland bewusst wird, möchte ich darüber schreiben. Mein Akademikerdenken hat mich lange behindert, weil ich mir nie sicher sein konnte, ob ein Unterschied nur zwischen einzelnen Personen besteht oder wirklich abstrakt als typisch “slowakisch” bezeichnet werden kann.
Jetzt habe ich mich entschieden einfach anzufangen. Im Laufe der Zeit werde ich den Beitrag einfach ergänzen, wenn mir neue Unterschiede auffallen oder korrigieren, wenn ich meine Meinung ändere.
Ich habe keine bestimmte Reihenfolge oder Sortierung. Vielleicht ergibt sich diese ja auch später noch.
Welche Unterschiede meine ich?
Ich will diesem Beitrag gar keine feste Richtung geben. So gibt es sicher Unterschiede zwischen Deutschen und Slowaken als Personen und zwischen den Ländern Deutschland und der Slowakei. Diese können sowohl politisch, geographisch oder historisch bedingt sein.
Naturgemäß nehme ich die Perspektive eines Ausländers ein und berichte über Dinge die ich besonders in der Slowakei und bei Slowaken anders empfinde.
In jedem Fall freue ich mich über Ergänzungen und Anregungen als Kommentar unter diesem Beitrag.
Unterschiede zwischen der Slowakei und Deutschland
Über Geld reden
Ich war mir lange nicht sicher, ob es nur eine Eigenart meiner angeheirateten slowakischen Familie ist, doch mittlerweile bin ich überzeugt, die Slowakei reden deutlich offener über Geld als die Deutschen.
In einer einzigen Woche haben uns jeweils jemand aus unserer Familie, aus dem Freundeskreis und eine wildfremde Person auf der Straße erzählt, wie viel ihr Auto gekostet hat, sowie die Geschichte wie sie den Kauf angebahnt haben um noch einmal richtig Geld zu sparen.
Praktisch lässt sich das auf alle Anschaffungen beziehen, also auch das Eigenheim oder die Eigentumswohnung, Handwerkerarbeiten im Haushalt oder der Schulranzen der Kinder. Häufig geht damit auch das Klagen über die hohen oder steigenden Preise einher.
Zumindest in der Familie und dem Freundeskreis erfährt man auch oft im Gespräch, wie viel jemand verdient.
Im Gegensatz dazu, wie offen über die eigenen Einnahmen und Ausgaben gesprochen wird, erlebe ich es selten, dass man direkt gefragt wird was man selbst verdient oder was XYZ gekostet hat. Vielleicht liegt es daran, dass die Gegenseite das meist eh von selbst erzählt oder an der Höflichkeit, die man mir als Ausländer entgegenbringt.
Hoher Anteil an Eigentumswohnungen
Beim Anteil an Wohneigentum könnte der Unterschied zwischen Deutschen und Slowaken nicht größer sein. Während die Slowaken im europäischen Vergleich mit über 90% Wohneigentum zur Spitzengruppe gehört, rangiert Deutschland mit knapp über 50% auf dem vorletzten Platz.
Hier liegt allgemein ein Ost-West-Gefälle vor. Erst auf Platz 10 dieser Statistik bei Statista aus dem Jahr 2019 taucht Norwegen mit 80% als erstes Land auf, das nicht zum Ostblock gehörte.
Über die Gründe der geringen Eigentumsquote in Deutschland habe ich mich vor einer Weile belesen. Es liegt vor allem dran, dass sich der deutsche Staat zu verschiedenen Zeiten (in Ost und West) um den Wohnungsbau gekümmert hat und sich die Deutschen daher noch traditionell auf diesen verlassen.
Ich selbst habe lange kaum glauben können, dass man die Wohnung in einem Plattenbau überhaupt kaufen kann. Für mich waren diese immer Teil einer Wohnungsgesellschaft, auch wenn das praktisch in Deutschland auch nicht mehr zwingend so ist.
Als Folge dieses hohen Selbstverständnis von Eigentum ist es in der Slowakei schwer, überhaupt eine Mietwohnung zu finden. Der Mieterschutz ist ebenfalls deutlich schlechter, soll sich aber angeblich in den letzten Jahren verbessert haben.
Sobald Slowaken von zu Hause oder aus dem Wohnheim ausziehen, kaufen sie häufig ihre erste Wohnung. Das sind im Schnitt kleinere Wohnungen als sie die Deutschen beziehen, dafür aber eben die eigenen. Die Kredite haben häufig eine Laufzeit von 30 Jahren oder mehr, um die Raten den noch geringen Einkommen anzupassen.
Meine subjektive Wahrnehmung ist, dass die steigenden Immobilienpreis auch hier Änderungen nach sich ziehen. Die Raten für Kredite fraßen schon vorher einen großen Teil der Einkommen auf. Da die Löhne nicht mit den Immobilienpreisen anstiegen, werden zunehmend Mietwohnungen gesucht.
Gleichzeitig schaffen Investoren neuen Wohnraum zur Vermietung, so dass das Angebot steigt und der Anteil an Wohneigentum sinkt. Zudem kaufen Auslandsslowaken Wohnungen in ihrer Heimat und vermieten diese solange, bis sie später wieder dorthin zurückkehren.
Für viele Slowaken wird auch das Argument der Flexibilität beim Arbeits- und Wohnort wichtiger, insbesondere, wenn längere Auslandsaufenthalte anstehen, will sich der ein oder andere nicht mehr an Wohneigentum binden.
Schlechte Bezahlung im Staatsdienst
In meiner Schwiegerfamilie in der Slowakei gibt es einige Lehrer und andere Staatsangestellte. Daher weiß ich, dass diese – wie in Osteuropa allgemein – sehr schlecht bezahlt werden.
Wer in Deutschland als Lehrer arbeitet verdient über dem Durchschnittslohn und gehört fest zum Mittelstand. Je nach Position verdienen viele andere Arbeitnehmer beim Staat mehr, als sie in vergleichbaren Stellen in der freien Wirtschaft verdienen würden.
In der Slowakei verdienen Lehrer dagegen auch gemessen an den geringeren Lebenshaltungskosten deutlich weniger. Laut diesem Bericht vom MDR aus dem Jahr 2016 verdient ein junger Lehrer um die 500€ netto und kann im Laufe seines Berufslebens nicht über 1000€ netto hinaus kommen.
Dass gerade Singles mit einem Job beim Staat weiterhin in Wohngemeinschaften oder zu Hause leben ist daher durchaus üblich.
Kein Wunder, dass die Kollegen meiner Frau im Sommer als Erntehelfer nach Westeuropa gefahren sind. Nebenbei verdienen sich viele Geld als Nachhilfelehrer. Erst so können sie sich ihr Auto oder ihre Eigentumswohnung überhaupt leisten.
Gleiches trifft auch auf Angestellte in der Verwaltung und im medizinischen Bereich zu. Angestellte Ärzte haben ein auskömmliches Einkommen, leben aber weiterhin unter dem Standard ihrer deutschen Kollegen.
Spitzenverdiener unter den Angestellten sind Ingenieure in der freien Wirtschaft oder auch andere Fachkräfte die insbesondere für Niederlassungen von ausländischen Firmen in der Slowakei arbeiten.
Insgesamt würde ich sagen, dass die Mittelschicht in der Slowakei eher klein und fragil ist. Vielen Slowaken bleibt von ihren Gehältern kaum etwas übrig um neben den Raten für die Immobilie noch zwei Familienautos zu unterhalten, in den Urlaub zu fliegen und dann noch etwas zur Seite legen zu können.
Kein Vertrauen in den Staat
Auch wenn es um das Vertrauen in den Staat – oder sämtliche andere Organisationen – geht, sind die Slowaken ein typisch postkommunistisches Land. Hier sehe ich auch immer wieder Parallelen zu meiner Heimat in Ostdeutschland.
Staatlichen Institutionen wird ein großes Misstrauen entgegen gebracht. Die Folge davon sind überall sichtbar.
Zwischen Parteien und Bevölkerung klafft eine große Lücke. Zugegeben, es fehlt historisch einfach eine Identifikation mit bestimmten Parteien. Doch ständige Abspaltungen und Neugründungen helfen auch nicht dabei, ein Grundvertrauen in die Politik und Politiker zu entwickeln. Das führt dann gerne auch dazu, das bekannte Übel zu wählen, wodurch alte Probleme und Seilschaften manifestiert werden.
Während der COVID-Pandemie hat sich das Misstrauen in staatliche Institutionen ebenfalls gezeigt und der Slowakei eine der geringsten Impfquoten bei gleichzeitig hohen Infektions- und Sterberaten beschert.
Krankenhäuser, Schwimmbäder und Schulgebäude bröckeln vor sich hin. Staatsbedienstete sind schlecht bezahlt und entsprechend motiviert. Auch das führt den Slowaken immer wieder vor Augen, dass sie sich auf den Staat nicht verlassen können. Als Deutscher habe ich dagegen noch ein Grundvertrauen in staatliche Institutionen und glaube daran, dass ich mich mit Anliegen an ihn wenden kann und diese fair behandelt werden.
Hier fällt mir eine Anekdote aus Steffen Möllers Buch “Expedition zu den Polen” ein, in welchem er die Unterschiede zwischen Deutschen und Polen in Bezug auf (staatliche) Institutionen beschreibt. Er sitzt in einem polnischen Zug und bemerkt, dass eine Lampe nicht funktioniert. Typisch deutsch geht er zum Schaffner und meldet das im Glauben, dass dieser die Information weitergibt, so dass der Fehler behoben wird. Enttäuscht von der Ratlosigkeit des Schaffners, was er mit dieser Information anfangen soll, schaltet Möller auf “polnisch” um, klettert zur Deckenlampe und repariert das Problem selbst.
In der Slowakei wäre diese Lampe vielleicht noch heute kaputt.
Gegenseitige Hilfe
Slowaken helfen sich im Familien- und Bekanntenkreis im Alltag mehr als ich es aus Deutschland kenne. Das betrifft auf die Besorgung von Alltagsgegenständen wie Eier – die keinesfalls Mangelware im Supermarkt sind, aber man weiß ja nie – wie auch Dienstleistungen bis hin zum Arzttermin, zu.
Kürzlich bestätigte uns eine befreundete Ärztin, dass Termine für Behandlungen bevorzugt über Bekannte organisiert werden. Da es alle so versuchen, sind am Ende nicht alle schneller, doch ein paar Patienten ohne Kontakte müssen besonders lange warten.
Handwerker fehlen auch in der Slowakei. Das mag daran liegen, dass ein duales Ausbildungssystem und ein Berufsschutz wie in Deutschland fehlen. So sind Handwerker oft Autodidakten. Angeblich wandern die guten Handwerker ins Ausland ab. Entsprechend ist die Qualität, aber auch die Zuverlässigkeit der verbleibenden Betriebe gering. So wird auch hier versucht, den eigenen Bedarf über Bekannte und Bekannte von Bekannten zu decken.
Während das zuvor geschriebene nur negativ klingt, möchte ich auch die positiven Aspekte der gegenseitigen Hilfe erwähnen. Auf unserer Hochzeit kamen sämtliche Kuchen von Menschen aus der erweiterten Bekanntschaft und Wein und Hochprozentiges aus Eigenproduktion. Es war eine Aufreihung lokaler Köstlichkeiten.